10.09.2018

PALÄSTINA & ISRAEL AUF DEM RAD

Eine einfache Geschichte. Zwei Wochen frei ohne einen konkreten Plan. Ein schmerzender Ellenbogen, der keinen Kletterurlaub zulässt. Ein Freund, der laufend Flugtickets online sondiert. Die Anforderung lautete eindeutig: eine billige Reise irgendwohin. Fahrräder. Eine schnelle Entscheidung unter Männern. Am Donnerstag packen wir die Räder und am Freitag werfen uns die Stewardessen von Wizzair aus unseren vollgekrümelten Sitzen direkt in die Realität des gelobten Lands. 

 

Das wird keine Reisebeschreibung, auch kein totsicherer Tipp, was in Palästina und Israel besucht werden kann. Eine Vorbereitung auf die Reise fand nicht statt. Die Karte im Maßstab von 1 : 500 000 hat auch nicht richtig geholfen, so dass es kein empfehlenswerter Ausflug war, eher ein Trip über Schotter und Asphalt, von einem Tag auf den anderen. Und was uns nicht direkt in die Nase geweht wurde, da haben wir eben nicht gesehen. Wir haben einfach ein paar hundert Kilometer abgerissen und haben den Dieselabgasen unser Bike-Evangelium verkündet. 

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Ein Land voller Kontraste 

Schon die zwei ineinander verschachtelten Staaten. Israel, das sich dort vor 60 Jahren fest einmietete und das ultra-klassische nahöstliche Palästina. Ein Kontrast der Kulturen, von Völkern, Glaubensrichtungen. Den einen Tag fährst du über israelisches Gebiet, durchsetzt mit fortschrittlichen Technologien, ausgeklügelter Bewässerung der Wüsten, der modernsten Militärtechnik, westlichen Autos, klimatisierten Supermärkten, Synagogen. Und abends fährst du in den palästinensischen Teil mit aufragenden Minaretten, den überall anwesenden Ziegentreibern, Kamelhirten, verschmutzten Bistros und arabischem Brot. Das Einzige, was diese Länder verbindet, ist die überall vorhandene Unordnung, Abfälle und Dreck auf den Straßen und entlang der Wege. Wer schon einmal in einem klassischen arabischen Land war, der kennt das sicher. Hier hat die nahöstliche Philosophie des Abfalls gesiegt, sie hat die westliche überwalzt. Die Israelis kamen uns leider von Anfang an etwas kalt, abgezockt, ohne Begeisterung, steif vor. Umso mehr haben wir uns auf das palästinensische Gebiet gefreut. An den Militärcheckpoints an den Grenzen mussten wir immer lächeln, wie wir in das „Land des König Miroslav“ zu der trägen arabischen Bequemlichkeit kommen.

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Israel ist ein kleines Land mit einer Fläche ungefähr wie die Slowakei, es lässt sich in nicht ganz zwei Wochen komplett durchfahren.  Das erinnert mich an einen weiteren Kontrast - der grüne und fruchtbare Norden gegenüber den bergigen, trockenen und wüstenartigen Süden.

13087In der Judäischen Wüste - 0 m ü.d.M., die Straße liegt unter dem Meeresspiegel, zum Toten Meer

13088Entlang des Toten Meeres

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Das Tote Meer - am anderen Ufer liegt Jordanien

Nachbarn kannst du nicht auswählen

Als ich mir die Karte angeschaut habe, war ich mir sicher, dass es die Israelis mit ihren Nachbarn nicht gerade einfach haben. Wir Tschechen schimpfen auf die Polen, die Slowaken auf die Ungarn. Aber versuchen Sie permanent hinter Stacheldraht zu leben. Nachbarn, die Sie tatsächlich nicht leiden können, weil Sie sie aus dem Haus gejagt haben, im Norden dann der muslimische Libanon und Syrien, wo ein Bürgerkrieg tobt. Und damit nicht genug, im Osten noch das feindliche Jordanien.  Wenn ich so darüber nachdenke, so wundere ich mich nicht, dass die  Israelis nicht gerade Zirkusclowns sind, sie haben genug an ihren tagtäglichen Problemen. Aber es ist ein super interessantes Land - ob nun historisch, mit den Sehenswürdigkeiten, und auch gerade wegen der Kontraste. Einfach ein unbarmherzig und hart in eine nahöstliche Umgebung übertragener Westen.  13090Klagemauer – Jerusalem

Was müssen Sie besuchen?

Jerusalem ꟷ die ganze Geschichte, die hier aus jedem Stein atmet 

Eilatꟷ bietet super Taucherlebnisse im Roten Meer, lebende Korallenriffe, eine unglaubliche Vielfältigkeit an Leben 

Totes Meerꟷ muss nicht weiter vorgestellt werden 

Judäische Wüste ꟷ die exotische Romantik des Nahen Ostens 

Masada ꟷ eine antike Festung auf einem Plateau hoch über dem Tal des Toten Meeres 

Nazareth ꟷ mit seiner gesamten biblischen Geschichte

Tel Aviv ꟷ wo es einfach alles gibt, eine Essenz von Israel sowie Palästina.

Ein paar Beobachtungen

ES IST HIER WAHNSINNIG TEUER, so wie in der Schweiz. Die Preisschilder haben ein enormes Gewicht. Aber immer ist irgendwo ein kleiner palästinensischer Selbstbedienungsladen mit Fladen, Hummus oder Bohnen für ein paar Schekel. Einfach eine Einrichtung, die unsere Vermögensverhältnisse respektiert.

VERHANDELN ꟷ aus Jordanien oder zum Beispiel Marokko war ich es gewöhnt, dass auf dem Markt oder in den kleinen Läden keine Preise ausgezeichnet waren, sondern sie verhandelt werden mussten und unsereiner selbstverständlich immer über den Tisch gezogen wurde - hier haben wir das nicht angetroffen, die Preise waren überall irgendwie ähnlich.

VERPACKUNG DES RADS FÜR DEN FLIEGER - das war eine harte Nuss. Mein Freund hat sich einen extra Koffer gekauft, aber vergessen, dass er ihn dort zwei Wochen irgendwo lagern muss, was nicht gelang. Er musste das Risiko eingehen, und ihn am Flughafen im Gebüsch verstecken. Ich habe es in einen Karton von einem Fahrrad verpackt und den habe ich in Tel Aviv zerlegt und in auch in einem Gebüsch versteckt (eingepackt in einer Plastiktüte, und auf dem Weg zurück habe ich den Karton wieder irgendwie zusammengesetzt und erneut verwendet).

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ZÜGE - es gibt dort sehr billige Züge, die Räder kostenlos mitnehmen! Wir haben so einen zufällig genutzt und waren angenehm überrascht. Die Fahrkarte Haifa → Tel Aviv kostete in Umrechnung ungefähr 6 Euro und das Rad war kostenlos. Auf dem Bahnhof bekommt man auf Anfrage eine Kundenkarte, auf die es einen großen Rabatt gibt.

SCHLAFEN DRAUSSEN – ohne Probleme, wir haben einsamere Plätze gewählt, anderenfalls ist es überall sehr lebhaft und laut. Es ist besser, sich außerhalb der Dörfer in der Einsamkeit aufzuhalten, wo mehr Ruhe ist.

TRINKWASSER AUS DEM HAHN - je südlicher, desto schlechter scheint es, aber die gesamte Zeit haben wir eigentlich kein Problem gehabt.

FEIERTAGE  –  auf israelischem Gebiet muss das Pessach-Fest beachtet werden, das eine Woche dauert. Zeitlich entspricht das ungefähr unserem Ostern, wo in dieser Zeit alles steht. Das ist auch so über die Weihnachtsfeiertage. Der Samstag ist für sie ein Feiertag. Und in christlichen Städten der klassische Sonntag.

ENGLISCH -  die Kommunikation funktioniert ganz gut, für mich auch überraschend oft Russisch und Deutsch. Es also zu merken, dass der Staat sich aus ehemaligen jüdischen Immigranten aus ganz Europa zusammensetzt.

 

Ich schweiße, du schweißt, wir schweißen...

Ich bin zwar auf einem bewährten, aber schon etwas weichem Rad aufgebrochen, und auf der Hälfte des Weges ist der Rahmen gebrochen, an der hinteren Gabel. Das ist Freitagmorgen passiert, auf palästinensischem Gebiet. Gerade hatten die Araber irgendeinen Feiertag und durften nicht arbeiten. In keiner Werkstatt, und wenn sie noch so klein war, wollten (konnten) sie mir nicht helfen. Provisorisch musste ich den Rahmen mit irgendwelchen gefundenen Stücken „Bandstahl“ zusammenschrauben und vorsichtig weiterfahren. Der zweite Tag war Samstag, und wir waren wieder auf jüdischem Gebiet, Sabbat, was uns nicht einfiel, so dass auch hier keine Möglichkeit einer Reparatur bestand. Ich habe gehofft, dass ich es irgendwie in Nazareth schaffe, was aber eine christliche Stadt ist, so dass es hier wegen Sonntag auch nicht gelang. Zum Glück bin ich am Rand auf eine palästinensische Werkstatt gestoßen, wo mir mein Rad Muhammad kurz „geheftet“ hat. So dass ich wahrscheinlich einer der wenigen Menschen bin, der „schweißen“ tschechisch, englisch, deutsch, aber auch arabisch (ilham) und hebräisch (alhama) sagen kann - wenn es jemand von Ihnen in Zukunft benötigt. 13092Radreparatur

Nützliche Begriffe 

Und noch ein paar Worte, vielleicht brauchen Sie sie. Mit der Umschreibung bin ich mir nicht sicher, sie wurde durch einfaches Abhören aufgeschrieben: 

  • ·         shalom - Ahoi, zum Gruß
  • ·         vivakascha/bevakasche - bitte
  • ·         toda - danke
  • ·         ken - ja
  • ·         lo - nein
  • ·         pita - einheimisches Brot
  • ·         lechem - Brot
  • ·         bira - Bier
  • ·         majim - Wasser
  • ·         kama? - wie viel ? 

 

Zum Schluss 

Israel & Palästina können eine feine Sache sein, Wärme schon am Ende des Winters (Februar/März/April) zu genießen oder den Sommer zu verlängern (September/Oktober/November). Hinsichtlich der Sicherheit ist es nicht so schlimm, wie es nach den Nachrichten im Fernsehen aussieht. Es reicht, vernünftig zu bleiben und den problematischen Gebieten  in Gaza und auf den Golanhöhen  auszuweichen.  Dort haben wir einmal nicht ganz daran gedacht und gerade auf den Golanhöhen haben wir eine unangenehme Nacht mit Schusswechsel in einem Dorf auf der anderen Seite der Straße erlebt, davon waren wir etwas geschockt.  Andererseits haben wir uns die ganze Zeit völlig sicher gefühlt. Insgesamt kann ich dieses Land wirklich empfehlen, ein interessantes Erlebnis. Für mich war es eine teilweise Exhumierung von fast vergessenen „schweren“ Punk-Aktionen mit dem Rad. Es macht halt Sinn, manchmal die Maschinen von der Kette zu lassen!

13093Am Ufer des See Genezareth

Hallo,

Ondra

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