17.09.2018

Korsika – ausgezeichnetes Klettern in ausgezeichnetem Granit

Persönlich fahre ich nicht so gern im Sommer in den Süden ins Warme, aber als die Jungs sich meldeten und sagten etwas wie „freier Platz im Auto“ und „Granit“, sagte ich, dass ich auch möchte. Einen Moment habe ich zwar gedacht, dass wir nach Kreta fahren, aber auf der Fähre haben wir das schon geklärt.

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Das Mittelmeer habe ich zwar eher mit Kalkstein, großer Hitze und Herumliegen am Strand verbunden. Umso mehr hat mich gleich der erste Tag überrascht. Heiß war es zwar, zum Umfallen, aber daneben gab es auch überall parademäßige Hügel und super Wände. Auf dem relativ kleinen Raum von Korsika findest du sowohl Gebiete mit Kalkstein als auch mit Granit. Und der örtliche Granit, das ist etwas extra! Und deswegen sind wir hier. Aufgrund der spezifischen Bedingungen der Insel - der Einwirkung von Wind, der salzigen Seeluft und des Sands verwittert hier der Felsen in besonderer Weise. Er bildet verschiedene bizarre Formen, Öffnungen und Vertiefungen, zu denen sie hier „Tafoni“ sagen.

13782Bizarrer Granit auf Korsika.

Angeblich ist es nur einer von wenigen Orten auf der Welt und es ist wirklich einer der  komischsten Granite, den ich je gesehen habe. Er erinnert mich eher an die Prachover Waben (Prachauer Felsen), jeder der zum Beispiel mal die Ostroute auf den Tabor-Turm geklettert ist, weiß worüber ich rede. Diese hier sind aber insgesamt größer und zum Glück auch fester. Während dieser einen Woche habe ich wohl nur einen Stein lose in der Hand gehalten, einfach spitzenmäßiges Material. Zuerst waren wir ein paar Tage im Restonica-Tal. Es stehen hier eine Menge Felsen zum Bouldern aber auch zum Sportklettern zur Verfügung, gewöhnlich ein Stück vom Weg entfernt. Aber wir möchten hier sauber in längeren Routen unterwegs sein, so dass wir ein Stück gehen müssen. Die Einstiege sehen aber in Ordnung aus, gewöhnlich 1-1,5 Stunden. Für die erste Bekanntmachung mit dem Material wählen wir eine leichtere, aber eine Angelegenheit mit Sternchen. Den Turm Punta Spenicazzia, die Route Candella di l'oro (200 m, D+, 5). Im Führer ist bei jeder Route ein Buchstabe aufgeführt sowie der Grad des „Abenteuers“ – von Linien mit Bohrhaken bis zum „terraine adventure“, wo du die gesamte Route kein einziges Stück Eisen siehst, alles kletterst du allein. Was komplett super ist. Es ist nicht viel Eisen notwendig, zur Sicherung werden viel die Formen in den Tafonen verwendet, d.h. Uhren, Umwürfe usw. Du brauchst nur ein paar Friends, Ösen, aber hauptsächlich viele Schlingen, und zwar hauptsächlich die langen. In den Tafonen wird geklettert, gesichert und der Standplatz errichtet. 

 

13783Typischer Standplatz.

Im Restonica-Tal machen wir in den nächsten Tagen noch ein paar Routen und alle gefallen uns wirklich sehr. Und wir möchten gar nicht weg von hier, weil jede Route eine Perle ist, und praktisch hatten wir überhaupt keine hässliche oder unangenehme Länge. Es wechselt sich einfach Schönheit mit Herrlichkeit ab.

13784Ondra Lukeš in der Route Bella Ciao am Monte Leonardo. (6b, 200 m, TD), 3. Länge.

Wahrscheinlich am besten hat uns Symphonie d'Automne (am Ponte des 7 lacs) gefallen, es ist zwar eine der kürzeren Wege (180 m, TD, 6a), aber sowohl landschaftlich als auch klettermäßig ist er fantastisch. Der längere Aufstieg (2 h) lohnt sich wirklich, es ist auch eine schöne Wanderung durch eine schöne Landschaft. Man kommt sich wechselseitig wie in Chamonix oder in Patagonien vor. Wunderbare Granitwände!

13785Aufstieg zum Symphonie d'Automne

Symphonie“, unsere Route, liegt direkt über einem See. Zum ersten Standplatz wird Hand über Hand an einem Stahlseil dicht über dem Wasser traversiert. Einfach ein Erlebnis vom ersten Augenblick.

13786Die dritte Länge der Symphonie d'Automne 6a, Ludvíček

Nach einer schönen und ausgesetzten Kante sind weitere Längen an der Reihe, fast alle schon auf Platten. Das Reibungsklettern im sechsten Grad hat schon etwas. Es ist kletterbar, und die Sicherungen so alle 5 m machen daraus eine sichere, aber dabei auch charmante Angelegenheit. Einfach Bombe! So ein Klettern bin ist ziemlich von den Platten im Isergebirge gewöhnt, und so genieße ich es.

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Diese Längen in den Platten, an einem losen Ende des Seils, hier hat es schon etwas.

Nun, und jetzt das wahrscheinlich größte Ass im korsischen Ärmel: das Gebiet Bavella. Das hat mir wortwörtlich die Sprache verschlagen. Ein super Granit, Wände wie verrückt, man muss fast nicht nach Patagonien fliegen, damit man etwas so Spektakuläres sieht. Einfach, ich habe das hier nicht erwartet und jeden Tag spreche ich darüber wie auf Drogen.

13788Bavella

Landschaftlich ist es schon wundervoll, noch eine Kategorie höher als das vorangegangene  Restonica-Tal. So dass wir uns umso mehr auf das Klettern freuen und es sich auch lohnt. Jede der Routen ist spitzenmäßig, jede einzelne Länge lohnt sich, einfach ein erfüllter Traum. 

  • Korsika – BAVELLA
  • Korsika – BAVELLA
  • Korsika – BAVELLA
  • Korsika – BAVELLA
  • Korsika – BAVELLA

Die Route La Perillat - auch eine Angelegenheit mit Sternchen. In dieser Route gibt es einfach alles – die erste Länge sind Spalten und Ecken, die zweite Platten mit einem interessanten „Runout“, d.h. einen ordentlichen Schritt bis zum Standplatz zu machen. Nun, und dann schon Zick-Zack in den Tafoni und Höhlen. Alle Längen sind super, alle mit Sternchen, ein super Abenteuer.

Nun, und ich möchte noch eine weitere sehr erlebnisreiche Route erwähnen, dort war das „terraine de adventure“ wirklich passend. Punta di l'Arghjetu - Aréte de Quenza (1591 m, 270 m, 5+, D+). Sicherung sowie Standplätze - alles selbst gemacht. Und wieder die örtlichen Führer - es war schon schwer den Einstieg zu finden und dann sich noch in der Route irgendwie zu orientieren - entweder hat das Bild nicht gepasst, oder die Beschreibung. Oder gar nichts von beiden. Ein Kamin, die ganze Länge in den Tafoni, Spalten, ein Durchstieg durch eine Felsenöffnung, Traversen - es war einfach alles dabei. Und die Eindrücke sind stark.  Eine spitzenmäßige Bergtour! 

13793Dazu sagt man hier TERRAIN DE ADVENTURE (offizieller Standplatz)

Einfach...Korsika... super!

Von mir noch ein paar Beobachtungen: 

  • Im Sommer würde ich nicht hierherfahren, die Hitze ist einfach zum Umfallen, das war eine Dummheit von Anfang an. Aber irgendwie April-Mai zum Frühjahrsklettern oder Oktober, November zum Abschluss der Saison .... das ja!
  • Reise - ziemlich ok – einfach einen Tag zum Meer, als wenn man zum Finale fährt, und dann eine Nacht auf der Fähre, du schläfst einfach die ganze Reise, morgens bist du an Land und vormittags knüpfst du dich schon ins Seil ein. Die Fähre (Corsica Ferries) ca. 60 € für das Auto, 35 € pro Person, das ist normal.
  • Schlafen – sowohl Restonica, als auch Bavella, sind Nationalparks. Über Nacht es auch nur das PARKEN außerhalb von Camps verboten. Damit auch das Übernachten, es wird angeblich viel kontrolliert, und praktisch alle halten das auch ein. Also Schlafen auf dem Campingplatz - Preisschilder ok für 5-7 € pro Person, 5-7 € pro Auto, ca. 5 € pro Zelt.

 

13795Preisliste - Campingplatz - Korsika (Bavella)

  • Kommunikation – englisch geht manchmal, aber überraschenderweise meistens nicht, weder auf dem Campingplatz noch im Geschäft. Sie leben hier für sich, ähnlich wie die Franzosen. Wir verfügten zum Glück über ungefähr 20 französische Worte, mit denen wir immer irgendwie durchgekommen sind. Es geht darum, dass man irgendwie ruhig und lächelnd ist und man sich immer irgendwie abspricht. 
  • Korsen – mir gefiel, wie sie auf Korsika stolz sind, überall zu uns willkommen auf Korsika, ich bin Korse usw. Sie haben Frankreich hier nicht so gern und geben das auch zu verstehen - durchgestrichene französische Bezeichnungen von Dörfern, Losungen über die Unabhängigkeit von Korsika und so, gute Momente. 
  • Einheimisches Bier – standardmäßiger Geschmack, überdurchschnittliches Preisschild (Pietra im Supermarkt 2 €, in der Kneipe 4-5 €). Der einheimische Wein ist schon OK, stark und voller Sonne, und für einen guten Preis. Super gute Käse, eine Spezialität - Kastanienmarmelade und überhaupt Sachen aus Kastanien und Feigen. 
  • Kletterführer – insgesamt schwach. Es gibt 3 (einer ist rein Französisch, an Stelle von Topografien eher so künstlerische Malbilder - komplett Schrott, nicht kaufen. Der zweite ist zum Sportklettern = OK. Und einer extra für Mehrlängen = OK.). Aber an die Qualität und Zweckmäßigkeit aus Österreich kommen sie nicht heran. Die Routen sind dort sowohl wörtlich beschrieben, als auch in die Fotos eingezeichnet - aber nicht als Topo, einfach nur als Strich, als Routenlinie - was bei einem anderen Sonnenstand und wenn man schon in der Route ist, nicht so optimal ist. Es geht halt nichts über die typische Dachstein-Topografie. Aber es ist immer noch besser als das ziellose Gestrichel der Hohen Tatra. 
  • Wer nicht klettern möchte. springt ins Wasser - ob nun schon ein Bad in den kristallklaren Flüsschen, oder im Meer. Oder a lá Amateur-Canyoning.


13798Restday - wir betreiben etwas wie Canyoning, Austoben auf korsisch

Diese Insel ist einfach eine klare Kletterwahl. Ein famoser und sehr interessanter Granit, spitzenmäßige Natur, Berge wie verrückt. Boulder, Sportkletterrouten, Mehrlängenrouten. Ausgezeichnete Menschen, insgesamt die Atmosphäre wie eine Eins. Die Exotik des Mittelmeeres mit allem, was dazu gehört, gekrönt durch ausgezeichnetes Material. Es lohnt sich wirklich, hierher aufzubrechen und auch wieder hierher zurückzukehren.

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Ondra N.

 

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